Story-Detail
Circular Economy ist mehr als Recycling
Von der linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft
Die lineare Wirtschaft folgt einem einfachen – eben linearen – Prozess: Rohstoffe und (Bau-) Materialien entnehmen («Take»), aus den verschiedensten Grundstoffen Güter produzieren und Bauwerke realisieren («Make»), die Produkte und Gebäude über einen mal längeren oder mal kürzeren Zeitraum nutzen («Use»), um dann alles am Ende als Abfallstoff zu verschwenden und zu entsorgen («Waste»). Nur ein kleiner Teil der eingesetzten Ressourcen wird einer Neu- oder Wiederverwendung zugeführt. Dabei handelt es sich also um ein Wirtschaftssystem mit der Folge, dass der sogenannte «Country Overshoot Day» immer früher im Jahr erreicht wird. Die Schweiz erlebte diesen Tag im Jahr 2020 am 8. Mai. Bis zu diesem Datum hat die Schweizer Bevölkerung die natürlichen Ressourcen bereits verbraucht, die ihr fürs ganze Jahr 2020 zustanden.
Als Gegenentwurf dazu ist die Kreislaufwirtschaft zu verstehen: Ein Wirtschaftssystem, das ganz auf Materialkreisläufe beziehungsweise Zirkularität abstützt. Zirkularität ist ein Ansatz, welcher es ermöglicht, Ressourcen möglichst lange und mit höchst möglichem Wert zu nutzen. Die Rohstoffe und (Bau-) Materialien bleiben quasi in ihrem (natürlichen) Kreislauf.
Die Kreislaufwirtschaft ist erneuernd und regenerierend und zwar «by Design»!
Daraus lassen sich gemäss der Ellen MacArthur Foundation folgende drei Prinzipien ableiten: In einer Kreislaufwirtschaft werden natürliche Systeme bewahrt, Produkte und (Bau-) Materialien möglichst lange in Gebrauch gehalten sowie Abfall und Schadstoffe schon zu Beginn der Produkt- oder Immobilienentwicklung durch kluge Konstruktion «weg-designt». Da 80% der Umweltauswirkungen eines Produkts durch das Design bestimmt sind, gewinnt die Konstruktionsweise an grosser Bedeutung. Die zirkulären Weichen werden also zu Beginn, d.h. bereits in der Designphase, gestellt. Dies unterstützt eine lange Lebensdauer, ermöglicht deren einfache Verlängerung durch Reparatur sowie deren Modernisierung oder Umgestaltung durch Modularität.
«CE = RE» | Circular Economy auf eine einfache Formel gebracht
CE = RE | Circular Economy = Real Estate. Auf eine einfache Formel runtergebrochen heisst dies: Die Hebel sind in der Bau- und Immobilienwirtschaft besonders gross. 84% der Schweizer Abfallmenge stammen aus der Bauindustrie. 10 Mio. m3 Abbruchmaterial entstehen jedes Jahr in der Schweiz. Immobilien sind für 40% des weltweiten Energieverbrauchs sowie 50% des Verbrauchs an natürlichen Ressourcen verantwortlich. Wert geht verloren durch unternutzte Flächen (wegen Überdimensionierung, Leerstand), vorzeitigen Abbruch von Gebäuden (aufgrund Demodierung, Nutzungsinflexibilität), unbebautes Land (Landbank, Reserven), abgeschriebene Materialien und Einrichtungen (Abschreiben anstatt Aufschreiben, Inventarisieren und Bewerten) oder durch nicht einwandfrei funktionierende Apparate und Komponenten (falsche Inbetriebnahme von Anlagen sowie unzureichende Wartung). In der Summe stellt dies alles einen beträchtlichen Wertverlust dar und ist eigentlich unvereinbar mit Nachhaltigkeit und zirkulären Prinzipien. Die Gleichung «CE = RE» unterstreicht die Bedeutung des Werte- und Prozesswandels für die Bau- und Immobilienwirtschaft im Allgemeinen und für Swiss Prime Site im Besonderen.
Kreislaufwirtschaft heisst neue Geschäftsmodelle
Die Kreislaufwirtschaft geht weiter als Ressourcen-Wiederverwendung und Recycling. Produkt-Lebenszyklen, Material-Kreisläufe und Produktions- bzw. Konsumprozesse müssen neu gedacht und vor allem neu designt werden. Das setzt Kreativität für Geschäftsideen frei. Gefragt sind Strategien und Geschäftsmodelle, die der Nachhaltigkeit und dem Wandel der Gesellschaft Rechnung tragen und für das Unternehmen finanzielle Mehrwerte schaffen. Dieses Neu-Denken erfordert Mut und eine Portion Rebellentum im Umgang mit den «alten» Geschäftsmodellen.
«Wir suchen Innovationsrebellinnen und -rebellen, die auf dem Weg von der linearen in die zirkuläre Welt mit Mut und Kreativität vorangehen.»
Innovationsworkshop rund um Zirkularität
Am 24. September 2020 fand in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Klärwerks, der ara glatt, in Opfikon ein Innovationsworkshop von Swiss Prime Site statt. Das Thema lautete: «Circular Economy | Der Weg von einer linearen in eine zirkuläre Welt». Dieser wurde vom Future Board, dem Innovationsgremium von Swiss Prime Site, organisiert.
Alexandra Bay, Head Group Research bei Swiss Prime Site, machte in ihrer Einführung klar, dass Innovationsrebellinnen und -rebellen gesucht seien. Sie sollten in den danach folgenden Gruppenarbeiten an konkreten Swiss Prime Site Objekten Ideen für zirkuläre Geschäftsmodelle entwickeln. Darüber hinaus formulierte Bay weitere Ziele des Workshops: Wissenstransfer, Bildung eines gemeinsamen Verständnisses zu Zirkularität und Herbeiführung eines Paradigmenwechsels.
Fruchtbare Gruppenarbeiten
Am Beispiel der Sanierung eines Bürogebäudes an der Müllerstrasse im Herzen von Zürich lässt sich Zirkularität perfekt anwenden. Dort ist das Ziel der Rückbau der bestehenden Fassade und der Wiedereinbau der rezyklierten und gereinigten Teile in die sanierte Immobilie. Durch die Inventarisierung der abgebrochenen Bauteile in einer Plattform wie Madaster könnte ein Grossteil davon zurück in den Materialkreislauf geführt werden. Es entstünde dadurch kaum Abfall. Die Kosten für den Materialverbrauch würden ebenfalls sinken.
Die Arbeitsgruppe setzte weiter bei ihren Vorschlägen aufs lokale Handwerk. Auch empfahl sie, Bauteile und Innenausbau besser zu schützen, um eine Kostenreduktion bei der Bewirtschaftung zu erwirken. Ihr Lösungsansatz ist ein Zirkulärvertrag mit den Mietern und die Einführung eines Bonus-Malus-Systems. Zudem wurde vorgeschlagen, freie Flächen im Rahmen einer Auktion anzubieten.
Ein weiteres Beispiel ist der innovative Neubau «2226» von Prof. Dietmar Eberle. Bis 2022 entsteht auf einer Landreserve des Areals JED in Schlieren ein Gebäude in Massivbauweise und ohne Heizung, Lüftung und Kühlung sowie Zuführung von Fremdenergie. Das Ziel ist namensgebend, denn die Temperatur in den Innenräumen soll sich konstant zwischen 22 und 26 Grad Celsius bewegen. Die Unterhalts- und Betriebskosten werden bei lediglich 50% im Vergleich zu herkömmlichen Immobilien prognostiziert. Im Erdgeschoss und in den vier darüberliegenden Geschossen sind insgesamt 15 000 m² zu vermieten.
Die Arbeitsgruppe empfahl, für dieses und weitere Projekte einen Swiss Prime Site Standard einzuführen: Material- / Baustoff-Kataloge beziehungsweise Richtwerte rund um die Zirkularität für Lieferanten und Partner. Gesamtheitliche, zirkuläre (Miet-) Verträge, in denen z.B. das Möbelmanagement eingeschlossen ist. Schliesslich sollte eine Messung Baustoffe bezüglich ihrer Eignung für die Zirkularität prüfen.
Das Umdenken beginnt im Kleinen und bei jedem selbst
Nachhaltiges und zirkuläres Denken fängt im privaten Umfeld an. Dies machen einige Konsumbeispiele aus unseren allen Alltag klar. Menschen kaufen sich wie selbstverständlich aus Lastwagenplanen hergestellte Taschen von der Firma Freitag. Shops wie Reawake, die Schweizer Adresse für auserlesene high-end Second Hand Fashion, kommen auf den Markt und erobern noble Adressen wie beispielsweise auch bei Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrasse.
Der Innovationsworkshop hat zu einer weiteren Sensibilisierung, aber auch zu einer Begeisterung für die Kreislaufwirtschaft beigetragen; antworteten die Teilnehmenden doch auf die im Nachgang der Veranstaltung gestellte Frage: «Fühlst Du Dich durch die vorgestellten Lösungen, Diskussionen und Gruppenarbeiten inspiriert, das Thema ‘Kreislaufwirtschaft’ weiterzuverfolgen?» mit einem klaren «Auf jeden Fall» (Wert 4.7 | 5).
Swiss Prime Site ist bestrebt, zirkuläre Strategien in das Geschäftsmodell und in den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden einfliessen zu lassen. Damit soll der Unternehmensmission «Wir schaffen Lebensräume» eine weitere Dimension hinzugefügt werden.