Story-Detail

Der ganzheitliche Weg zur Nachhaltigkeit

Um den CO2-Fussabdruck eines Unternehmens abzubilden, reicht es nicht, nur die eigenen, direkten Emissionen zu erfassen. Auch die Treibhausgase, die durch Lieferanten oder Dritte anfallen, müssen in die ganzheitliche Betrachtung einfliessen. Wie man die indirekten Emissionen überhaupt zu fassen bekommt und welchen Einfluss man auf sie nehmen kann, erklärt Urs Baumann, Head Sustainability & Innovation.

Wir treffen Urs Baumann, der bei Swiss Prime Site gruppenweit für den Bereich Nachhaltigkeit und Innovation verantwortlich ist, vor dem Prime Tower an einer Stromtankstelle für Elektrofahrzeuge. Diese steht sinnbildlich für ein CO2-Bilanzierungskonzept, bei dem das Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Das erklärte Ziel von Swiss Prime Site ist es, nebst den direkten Verbräuchen auch den indirekten Fussabdruck zu erfassen und kontinuierlich zu senken. Dabei liegt die grösste Herausforderung in der Ermittlung und Reduktion der als «Scope 3» bezeichneten Emissionen. Denn diese betreffen den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie, was die Erstellung des Gebäudes und die Betriebsphase miteinschliesst.

Urs Baumann, wie lassen sich direkte und indirekte Treibhausgasemissionen erfassen?
Vorweg bedarf es der Differenzierung zwischen den Emissionen in der Gruppe und im Immobilienportfolio. Während wir den direkten Verbrauch innerhalb des Unternehmens vergleichsweise einfach messen können, fällt ein Grossteil der Verbräuche indirekt und auch ausserhalb unseres Einflussbereichs an. Technisch spricht man dabei von den «Scope 2» und «Scope 3» Treibhausgasen. Diese lassen sich innerhalb der Lieferketten der Eingangsseparation (Upstream) erheben. Weiter werden «Scope 3»-Treibhausgase in der Ausgangsseparation (Downstream) emittiert.

Welche Emissionen fallen bei Swiss Prime Site an?
Wir unterscheiden zwischen direkten und indirekten Emissionen. Zu den direkten Emissionen, «Scope 1», zählen diejenigen, die auf den durch uns beeinflussbaren Flächen der verschiedenen Gruppengesellschaften entstehen, wie beispielsweise aus den eigenen Heizungsanlagen. Unter «Scope 2» fallen die bei der Produktion von Strom und Fernwärme verursachten Emissionen von zugekauften Energien. Diese Emissionen sind zwar indirekt, lassen sich aber dennoch durch uns beeinflussen. Ebenfalls zu den indirekt verursachten Treibhausgasen gehören am Beispiel von Jelmoli die Emissionen, die bei Anlieferung der Waren durch einen Logistikdienstleister anfallen. Diese indirekten «Scope 3»-Emissionen in der Lieferkette werden zumeist anhand von spezifischen Erhebungen und mittels Benchmarking relativ aufwändig hergeleitet und abgeschätzt. Weitere unternehmenstypische «Scope 3»-Emissionen fallen beim Bau einer Immobilie aufseiten der Lieferanten an, zum Beispiel bei der Herstellung und beim Transport von Beton oder Stahl.

Und wenn eine Liegenschaft fertig gebaut ist 
… dann erzeugt man sowohl direkte als auch indirekte Emissionen. Bemerkenswert ist, dass Letztere zwar ausserhalb der Unternehmensgrenze und scheinbar nicht beeinflussbar sind. Unsere Erfahrung aber zeigt, dass sich die Ökobilanz beim Einkauf von Strom durch einen Energieträgerwechsel von Kohlekraft zu Strom aus Wasserkraft durchaus verbessern lässt. Deutlich weniger Einfluss haben wir auf unsere Mieter, die ebenfalls Anteil am indirekten Fussabdruck einer Immobilie haben. Wieviel Papier wird verbraucht? Welche Geräte werden angeschafft? Und nicht zuletzt: Kommen die Mitarbeitenden mit dem Auto zur Arbeit – und ist dieses eventuell strombetrieben? So ist die Stromtankstelle am Arbeitsplatz als weitere indirekte Einflussmöglichkeit auf das Mobilitätsverhalten der Mieter und Nutzer der Liegenschaft zu verstehen.

Generell kann man sagen: Der grosse Energieausstoss einer Immobilie fällt im Betrieb an, wenn das Mieterverhalten und der Bewirtschaftungsaufwand den Fussabdruck massgeblich bestimmen. Die entsprechenden CO2-Kennzahlen werden systematisch erfasst. Dabei orientiert sich Swiss Prime Site zusammen mit ihrer Gruppengesellschaft Wincasa, welche das Projekt durchführt, am Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), einem verbreiteten Standard zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen.

Welche Bedeutung hat eine solch umfassende CO2-Bilanzierung?
Eine zentrale Bedeutung sehe ich in den aktuellen Diskussionen zur Verschärfung der CO2-Gesetzgebung bestätigt. Zum Vergleich: Die unmittelbaren Emissionen der Schweiz machen nur knapp die Hälfte unseres ökologischen Fussabdruckes aus, da die Schweiz zahlreiche Güter und Dienstleistungen importiert, die in der Gesamtbetrachtung jedoch zwingend mitberücksichtigt werden müssen.

Wir sehen uns deshalb in der Pflicht, eine Bilanzierung über die Unternehmens- oder eben auch Landesgrenze hinaus vorzunehmen. Nebst dem Bewusstsein um die effektiv angefallenen Verbräuche, können wir erst auf erwähnter Basis vernünftige Reduktionsziele definieren, gezielte Massnahmen ergreifen und deren Wirksamkeit messen. Dabei ist es unerlässlich, auch ausserhalb gewisser Systemgrenzen Einfluss nehmen zu können.

Zum ganzheitlichen Ansatz gehört es, nicht nur beim Neubau von Immobilien auf Kriterien der Nachhaltigkeit zu achten. Wir nehmen deshalb das gesamte Portfolio – also auch bestehende Liegenschaften und die zu erbringenden Dienstleistungen – in den Blick und ergreifen alle erdenklichen Massnahmen für die sukzessive Senkung des CO2-Ausstosses.

Welches konkrete Ziel wird mit dieser umfassenden Herangehensweise verfolgt?
Wir wollen unseren Teil zur dringend erforderlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen. Auf Basis einer Portfoliobetrachtung, welche die Emissionen der Gruppengesellschaften ausklammert, erarbeiten wir mittels Absenkpfad ein konkretes Ziel. Dieses steht im Einklang mit der internationalen Klimapolitik und geht von einer maximal tolerierbaren Erderwärmung von 2°C aus.

Da wir heute jedoch keinerlei Gewähr haben, ob die branchenspezifisch hergeleiteten Emissionsgrenzwerte global auch nur annähernd erreicht werden können und ob diese einen weiteren Temperaturanstieg wie kalkuliert überhaupt verhindern würden, müssen wir zusätzliche Massnahmen treffen. Diese beinhalten einerseits die umsichtige und nachhaltige Projektplanung für künftige Investitionen. Andererseits bewerten und optimieren wir unsere bestehenden Liegenschaften und Dienstleistungsangebote anhand ihrer spezifischen Verbrauchsdaten hinsichtlich deren Resilienz gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels. So stellen wir die nachhaltige Geschäftstätigkeit von Swiss Prime Site sicher.

Ist die Stromtankstelle für Elektrofahrzeuge Teil eines in Zukunft noch breiter aufgestellten Dienstleistungsangebotes?
Wenn wir das 2-Grad-Ziel konsequent verfolgen wollen, braucht es Bemühungen in der ganzen Breite unserer Möglichkeiten. Die Förderung von Elektromobilität sticht als eine der vielversprechendsten Massnahmen zur Verbesserung unserer Gesamtbilanz besonders hervor. Der Marktanteil neuzugelassener Personenwagen der Energieeffizienzkategorie A beträgt heute nur knapp 5%. Das ist darauf zurückzuführen, weil viele Leute ihren Kaufentscheid gegen ein Elektrofahrzeug immer noch mit der fehlenden Ladeinfrastruktur begründen.

Diesbezüglich kann Swiss Prime Site als Immobiliengesellschaft zusammen mit ihrer Gruppengesellschaft Wincasa als Immobiliendienstleisterin die Roadmap zur Förderung der Elektromobilität des Bundes aktiv unterstützen. So haben wir letztes Jahr auf unseren Arealen über ein Dutzend E-Ladestationen installiert. 2019 bauen wir die Infrastruktur für E-Mobilität weiter aus. Und in Zukunft entwickeln wir daraus vielleicht sogar ein neues Geschäftsmodell.

Urs Baumann ist sich der Komplexität der Aufgabe bewusst. Aber auch ihrer Notwendigkeit. «Wir nehmen schon jetzt die Dinge in die Hand, die schon bald gesetzlich gefordert sein werden», erklärt er zum Abschluss des Gesprächs. «Und auch die Gesellschaft will zunehmend wissen, wie nachhaltig ein Unternehmen agiert. Wir wollen für die Zukunft gerüstet sein und diesbezüglich heute schon Antworten geben können.»

LinkedIn Copy Link