Story-Detail
Stromaufwärts
Über Energie sprechen, das kann man nicht in einem Sitzungszimmer. Deshalb treffen wir Roman Fehr am Limmatwehr Höngg. Hier, nur ein paar Minuten vom Prime Tower entfernt, präsentiert sich die Kraft des Wassers sehr eindrücklich. Eine Kraft, die hierzulande 60 Prozent zur Schweizer Stromerzeugung beisteuert. Auch europaweit ist Wasser Spitzenreiter bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Ihr grosser Vorteil ist, dass sie in Laufwasserwerken konstant Energie erzeugt und damit den Basisbedarf abdeckt. Wie hier im Kraftwerk Höngg. Aber auch zur Bereitstellung von Reserveleistung und Spitzenlast ist Wasserkraft unverzichtbar. So sichert sie die Versorgung zuverlässig und ist für die oft zitierte Energiewende unverzichtbar.
Das sieht auch Swiss Prime Site so und setzt deshalb konsequent auf Strom aus Schweizer und europäischer Wasserkraft. Bei allen Liegenschaften? «Das ist definitiv das Ziel», so Fehr. «Derzeit versorgen wir 59 Prozent der Swiss Prime Site-Immobilien mit sauberem Strom. Das heisst alle, bei denen dies möglich ist. Die restlichen Liegenschaften sind von der Liberalisierung des Strommarktes noch ausgeschlossen, da sie weniger als 100 MWh im Jahr verbrauchen. Die kleineren Messstellen sind also nicht Teil des Portfolios, das wir zentral bewirtschaften. Zumindest noch nicht.» Dazu muss man wissen, dass der Strommarkt seit 2009 nur für Grossverbraucher geöffnet wurde. Unterdessen können sie ihren Strom selbst einkaufen. Die Diskussion einer flächendeckenden Liberalisierung läuft. Dies würde den Handlungsspielraum auch für Swiss Prime Site erweitern.
Wir machen uns auf den Weg vom Wehr über die Werdinsel entlang der Limmat Richtung Kraftwerk. «Pooling» ist ein Begriff, der im Gespräch mit Fehr immer wieder fällt. Damit ist der Beschaffungspool gemeint: alle Liegenschaften – und jeder einzelne Stromzähler – zusammengenommen, für die Wincasa im Auftrag von Swiss Prime Site Energie am Markt beschafft. Das tut der Immobiliendienstleister nicht direkt, sondern über Swenex, die Swiss Energy Exchange, einem unabhängigen Energiedienstleistungsunternehmen, das den Markt permanent überwacht und den Strom in Abstimmung mit der Eigentümerschaft und Wincasa an der Strombörse nach Bedarf einkauft. Strukturierte Strombeschaffung – noch so ein Begriff, den Fehr häufig benutzt. «Das heisst im Endeffekt, dass wir schon heute den Strom für 2022 einkaufen», erklärt Fehr. «Das lässt der Handel zu. Wir können durch solche Termingeschäfte langfristig planen und Risiken minimieren. Es funktioniert wie ein Portfolio moderner Finanzprodukte. Aktuell haben wir die Situation, dass der Strompreis steigt. Da ist es für uns natürlich sinnvoll, frühzeitig einzukaufen. Denn unsere Mengen sind nicht gerade klein. Wir reden von Gigawattstunden, die wir für unseren Pool beschaffen», so Fehr. Der Vorteil liegt auf der Hand: Je mehr Strom eingekauft wird, desto bessere Konditionen bekommt man. Mengenrabatt – und das in Dimensionen, die sich ein privater Verbraucher kaum vorstellen kann.
Überhaupt ist das Konzept der «Strukturierten Strombeschaffung» für Laien schwer fassbar. Schliesslich kauft man jetzt etwas, das noch gar nicht produziert ist. «Schlussendlich handeln wir mit Papier», so Fehr. «Da funktioniert die Strombörse ganz ähnlich wie die Finanz- oder klassische Warenbörsen. Mit der Eigentümerin haben wir eine klare Strategie erarbeitet, die zum Beispiel besagt: Für 2018 wollen wir bereits heute 90 Prozent Strom einkaufen, für nächstes Jahr 60 Prozent, für übernächstes Jahr 40 Prozent und so weiter. Die Strategie ist marktorientiert. Wenn wir beispielsweise beobachten, dass die Preise enorm steigen werden, dann kaufen wir lieber früher etwas mehr Strom ein. Solche Entscheide fällen wir allerdings immer in Absprache mit Swenex. Sie sind die Experten. Und sie wissen durch unsere Inputs auch immer, wie hoch unser Bedarf an Strom ist, der beschafft werden muss. Am wichtigsten ist es, den Markt zu beobachten und zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen.» Den perfekten Zeitpunkt kennt man natürlich nur im Nachhinein. Doch das bestmögliche Timing zu finden, das zeichnet eine optimale Energiebeschaffung aus. Was nicht heisst, dass die gesamte Menge zu einem einzigen Zeitpunkt gekauft wird. Ziel ist es, das Risiko eines zu frühen oder zu späten Kaufs zu verteilen und damit klein zu halten.
Doch welche Rolle spielt dabei eigentlich Wincasa? «Wir stehen als Immobiliendienstleister zwischen Swiss Prime Site, der Eigentümerin, unseren Bewirtschaftern und dem Energiebeschaffer. Unsere Aufgabe ist es, die Abläufe zu koordinieren und bestehende Prozesse zu optimieren.» Was abstrakt klingt, kann in der Praxis sehr konkret werden. Ein Beispiel ist die Abrechnung. «Darauf waren unsere Partner anfänglich überhaupt nicht vorbereitet», erzählt Fehr. «Für uns und die verantwortlichen Bewirtschafter der einzelnen Liegenschaften war es wichtig, dass auf den Rechnungen der Verbrauch und andere wichtige Posten aufgelistet sind. Sie sollten so daherkommen, dass man sie in einer Nebenkostenabrechnung plausibel erklären kann. Das war ein ziemlich langer Weg, der viel Koordination benötigte. Schliesslich mussten Abrechnungsprogramme zum Teil an unsere Bedürfnisse angepasst werden. Auch daran spüren wir, dass wir in einer Pionierrolle sind – obwohl der Strommarkt schon fast zehn Jahre liberalisiert ist. Letztendlich haben wir eine Lösung gefunden, die für alle stimmt.» Auch drei Jahre nach Start der Zusammenarbeit, wo sich die Prozesse langsam eingespielt haben, gibt es für Fehr und das 3-köpfige Team jede Menge zu tun. Wir sind ständig dabei, die Abläufe weiterzuentwickeln und effizienter zu gestalten», so Fehr. Und dann gibt es noch die Spezialfälle, die Fehr und seine Kollegen auf Trab halten. So will zum Beispiel der Verkauf von Liegenschaften – und damit der Wegfall eines Stromzählers im Beschaffungspool – organisiert werden.
Das Kraftwerk ist erreicht. Ein orangefarbenes Gebäude mit Turbine und Treibgutrechen. Welche Rolle wird die Wasserkraft in Zukunft spielen? Vor allem, wenn die Strompreise weiter steigen? Werden nicht viele Unternehmen zu der noch preiswerteren Atomenergie wechseln? «Die Strompreise steigen zurzeit generell», erklärt Fehr. «Das betrifft nicht nur den Strom aus erneuerbaren Energien, sondern gilt auch für Atomstrom. Durch unser Tun kaufen wir jedoch nun massiv günstiger ein als vorher und haben dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Immer alles ins Extreme zu optimieren und Umweltaspekte auszublenden entspricht aber nicht unserer Strategie. Wir erreichen auf einem rücksichtsvollen Weg eine ganze Menge. Natürlich wird es immer Unternehmen geben, die hautsächlich auf den Preis schauen. Swiss Prime Site nimmt klar ihre Verantwortung wahr. Ich kenne nicht viele Unternehmen, die so konsequent auf Nachhaltigkeit setzen und die bereit sind, dafür kurzfristig mehr zu zahlen. Denn langfristig und nachhaltig zahlt sich eine solche Investition immer aus.»