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«In Krisensituationen trennt sich bekanntlich die Spreu vom Weizen»

Die Pandemie des Coronavirus hat einen starken Einfluss auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist noch zu früh, um definitiv Bilanz zu ziehen. Bereits jetzt ist aber sichtbar, dass rasches Handeln, saubere Prozesse, verantwortungsbewusste Mitarbeitende und ein widerstandsfähiges Geschäftsmodell der beste Schutz vor Krisen sind. Im Interview blickt René Zahnd, CEO Swiss Prime Site, auf die letzten Monate zurück und schildert die künftigen Chancen und Herausforderungen für die Immobilienbranche.

René Zahnd, man muss Sie vermutlich nicht explizit nach dem wichtigsten Ereignis des Jahres fragen, oder?
René Zahnd: Es ist natürlich die Coronakrise, welche die ganze Welt bewegt und beschäftigt.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Vermutlich wie viele andere Menschen auch. Zuerst war ich doch überrascht, dass uns ein vermeintlich weit entferntes Problem auch in Europa und der Schweiz eingeholt hatte. Ebenso erstaunt war ich vom Umstand eines kompletten Lockdowns der Wirtschaft. So etwas war einmalig für die Schweiz. Und schliesslich hat es mich ehrlich gesagt schon nachdenklich gestimmt, dass es ein Virus geschafft hatte, dass wir unsere vermeintlich sicher geglaubten Rechte, mit welchen wir alle aufgewachsen sind, einfach so über Bord werfen. Darüber wurde meines Erachtens bislang noch viel zu wenig breit diskutiert. Grosser Respekt und Dank gebührt unserem Bundesrat, dass er hierzulande nicht eine komplette Ausgangssperre verfügte. Ein Mittel, welches mit meinem persönlichen Verständnis von Demokratie, Freiheit und Selbstverantwortung unvereinbar ist. Im beruflichen Alltag musste man sich rasch an eine beinahe vollständige Kommunikation mittels Videokonferenz gewöhnen. Und der Händedruck, insbesondere mit Kunden, welche ich zum ersten Mal treffe oder schon lange nicht mehr gesehen habe, fehlt mir. Er war und ist für mich ein wichtiges Zeichen der Tradition und Wertschätzung.

Wie haben Sie bei Swiss Prime Site auf die Ausrufung der ausserordentlichen Lage reagiert?
Wir hatten bereits vor dem verordneten Lockdown eine Taskforce «Corona» gebildet. Darin vereint waren Schlüsselpersonen aus den Gruppengesellschaften und wichtige Funktionen aus den Bereichen Human Resources, Risk Management, Legal Services und Kommunikation. Gemeinsam haben wir im engen zeitlichen Rhythmus Beratungen abgehalten und Beschlüsse gefasst.

Konnten Sie während der ganzen Zeit den Betrieb aufrechterhalten?
Abgesehen von Jelmoli, welcher fast seine gesamten Flächen per Bundesdekret zu schliessen hatte, haben wir unter den gegebenen Umständen normal weiterarbeiten können. Wie vom Bundesrat empfohlen, haben wir unseren Mitarbeitenden nahegelegt, sich im Homeoffice einzurichten. Unsere Büros waren aber jederzeit mit einem Minimalbestand besetzt.

«Das Immobilien­geschäft ist ein "People Business". Man trifft sich, diskutiert Entwicklungs­pro­jekte, ver­gleicht Pläne und besichtigt Objekte vor Ort.»

Was waren für Sie die grössten Herausforderungen?
Am Ende des Tages ist auch das Immobiliengeschäft ein «People Business». Man trifft und bespricht sich, diskutiert Entwicklungsprojekte, vergleicht Pläne und besichtigt interessante Objekte vor Ort. Dies war quasi von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich. Plötzlich mussten wir übers Telefon, den PC oder verschiedene Apps auf dem Smartphone miteinander kommunizieren. Was bisher oft nur die Alternative war, wurde zum Hauptkommunikationsmedium.

Wie ist Swiss Prime Site als Gruppe durch diese Krise gekommen?
Es ist generell noch zu früh, um einen Strich unter diese Krise zu machen. Was wir aber bisher sehen, ist, dass es sich nun ausbezahlt, ausgezeichnete Mitarbeitende an Bord zu haben, denn gerade in Krisensituationen trennt sich bekanntlich die Spreu vom Weizen. Zudem sind wir dankbar, über ein erstklassiges Liegenschaftenportfolio mit exzellenten Mietern zu verfügen. Somit darf ich sagen, dass wir als Gruppe bisher relativ gut durch diese ausserordentliche Zeit gekommen sind.

Wie erging es den zur Swiss Prime Site gehörenden Gruppengesellschaften?
Jelmoli musste am 17. März 2020 das komplette Haus schliessen. Zum Glück konnten wir ab 20. März 2020 den Food Market im Untergeschoss unter Auflagen wieder öffnen. Für einen Grossteil der Mitarbeitenden wurde Kurzarbeit beantragt. Die Kunden haben uns für die Teilwiedereröffnung gedankt, indem sie kräftig einkauften und uns im Food Market Umsätze über dem ursprünglichen Budget bescherten. Die Schliessung der anderen Flächen hat natürlich wehgetan und dürfte dieses Jahr nicht mehr aufzuholen sein. Wincasa hatte beinahe 2 000 Mieterbegehren zu bearbeiten, sodass dort die Organisation auf Hochbetrieb lief. Ebenso war dies bei Swiss Prime Site Solutions und unserem Kerngeschäft der Fall.

Können Sie dieser beschriebenen Situation auch etwas Positives abgewinnen?
In unseren schweizweit 185 Liegenschaften haben wir über 2 200 Mieter. Für die Bewirtschaftung und Vermarktung der Flächen arbeiten wir, wie viele andere Immobiliengesellschaften, mit Dienstleistern zusammen. In dieser speziellen Situation haben wir aber bewusst entschieden, die Kommunikation mit unseren Kunden selber in die Hand zu nehmen. Dadurch haben wir viel Wohlwollen seitens der Mieter gespürt. Denn sie wollten in dieser schwierigen Zeit direkt mit dem Eigentümer, mit uns, sprechen. Dieses Vorgehen hat die Entscheidungswege bedeutend verkürzt.

Man konnte oft von den Schwierigkeiten bei Gastro- und Retail-Mietern lesen. Wie ist es diesen innerhalb Ihres Portfolios ergangen?
Die Gastro- und Non-Food-Betriebe waren vom Lockdown äusserst hart betroffen. Teilweise konnten sie keinen einzigen Franken Umsatz generieren und hatten normal ihre laufenden Kosten zu tragen. Da haben natürlich die vom Bund garantierten Kredite für eine erste Linderung gesorgt. Wir haben unsererseits rasch mit der Annahme von Stundungsbegehren reagiert und in einem zweiten Schritt auch mit Mietzinserlassen.

Wie kamen Sie dazu, den Mietzins zu erlassen, und welche Mieter haben davon profitiert?
Als börsenkotiertes Unternehmen sind wir natürlich unseren Aktionären verpflichtet. Gleichzeitig haben wir eine langjährige und gute Beziehung zu unseren Mietern und wollen diese auch aufrechterhalten.

In dieser ausserordentlichen Phase stellten wir früh fest, dass es von unserer Seite eine beherzte Entscheidung brauchte, um vor allem vom Lockdown betroffenen Selbständigerwerbenden und Kleinmietern mit wenig Reserven entgegenzukommen. So haben wir rund 170 Mietern mit einem Bruttomietzins bis CHF 5 000 pro Monat die Miete für zwei Monate erlassen.

Wie viele Mieterbegehren hatten Sie auf dem Tisch?
Wir haben insgesamt rund 500 Schreiben erhalten. Diese haben wir alle bearbeitet und beantwortet. Vielen Mietern war bereits mit Stundungen geholfen, da sie Zeit brauchten, um ihr Geschäft auf die neue Lage auszurichten, und sich nicht noch mit Mietzinsen rumschlagen wollten.

Was ist mit Mietzinsbegehren, welche über der Schwelle von CHF 5 000 lagen?
Bei so vielen Mietern und der erwähnten Anzahl von Begehren brauchten wir Zeit, um uns einen Überblick zu verschaffen. Jeder Mietvertrag ist individuell ausgestaltet, und jeder Mieter ist oder war vom Lockdown anders betroffen. Nach der Kontaktaufnahme, den Stundungen und dem Erlass von zwei Monatsmieten für die Kleinmieter sind wir auch auf die grösseren Mieter zugegangen.

Waren die Angebote an gewisse Bedingungen geknüpft?
Bei den Kleinmietern war dies nicht der Fall. Bei den grösseren Mietern konnte es durchaus vorkommen, dass wir einem Mietzinserlass für eine gewisse Zeit zugestimmt haben, wenn der Vertrag sowieso bald abgelaufen wäre und wir diesen erneuern beziehungsweise verlängern konnten. Grundsätzlich ist uns aber immer wichtig, dass es für alle Parteien stimmt.

«In dieser ausserordentlichen Phase stellten wir früh fest, dass es von unserer Seite eine beherzte Entscheidung brauchte, um vor allem den vom Lockdown betroffenen Selbständigerwerbenden und Kleinmietern mit wenig Reserven entgegenzukommen.»

René Zahnd, CEO Swiss Prime Site

Hatten Sie auch Begehren auf dem Tisch, die nicht gerechtfertigt waren?
Die waren zu erwarten. Teilweise von Mietern, die nicht vom Lockdown direkt betroffen waren. Aber auch von internationalen Konzernen, die über grosse Finanzkraft verfügen. In gewissen Fällen hatten wir keine Begehren auf dem Tisch, aber die Miete wurde trotzdem nicht bezahlt. Solches Verhalten ist schlicht inakzeptabel. Den ersten Lockdown unserer Geschichte zu missbrauchen, um die Miete einfach mal so nicht zu zahlen und ein firmeninternes «Cash-Pooling» zu betreiben, ist gelinde gesagt wenig sozial. Solches Gebaren von international bekannten Geschäftsmietern hat in umliegenden Ländern zu heftigen Diskussionen geführt.

Wie gehen Sie mit den ungerechtfertigten Ausständen um?
Wir bleiben hart. Es kann nicht sein, dass das Betriebsrisiko des Mieters an uns weitergeschoben wird. Wir bestehen auf dem vereinbarten Mietzins.

Im Moment gibt es Bestrebungen in der Politik, Vermieter dazu zu zwingen, aus Solidarität 60% der Mieten für die Zeit des Lockdowns zu erlassen. Dies bis zu einem monatlichen Maximalmietzins von CHF 20 000. Wie stehen Sie dazu?
Ich stehe dem äusserst kritisch gegenüber. Der Staat hat im privaten Vertragsrecht nichts verloren. Die Politik muss faire und stabile Rahmenbedingungen schaffen. Dass sie aber mittels Gesetzen in bestehende Verträge einseitig eingreifen will, ist ein negatives Beispiel, welches auch im umliegenden Europa seinesgleichen sucht. Wir als Unternehmen, aber auch als Vertreter der Immobilienbranche können das Problem selbst lösen. Es braucht keine «Pauschalmedizin» seitens der Politik, die die gesamte Branche, Investoren, wovon notabene viele Pensionskassen, und Mieter verunsichert.

Weshalb sind Sie denn gegen eine Pauschallösung? Erleichtert Ihnen dies nicht das Leben?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens können wir, wie bewiesen, selber Lösungen finden. Zweitens profitieren bei Pauschallösungen auch solche Mieter, die es gar nicht nötig haben. Drittens schafft ein Eingriff grosse Verunsicherung und lähmt die Lösungsfindung zwischen Mieter und Vermieter. Viertens soll der Staat, anstatt nun für gewisse Vermieter einen Sonderfonds zu schaffen, sich lieber direkt für die betroffenen Mieter einsetzen. Meines Wissens sind wir die einzige Branche, die aufgrund der Coronakrise bis zu einem gewissen Grad faktisch enteignet wird.

Was ist der finanzielle Einfluss, den Sie durch die Mietzinserlasse 2020 erleiden werden?
Derzeit sind wohl alle Vermieter diesbezüglich noch in der Annäherungsphase. Der Lockdown ist zum Glück mittlerweile Geschichte, doch der Einfluss ist nach wie vor zu spüren. Die Menschen sind besorgt wegen einer zweiten Welle und entsprechend auch zaghaft bezüglich Konsum und der weiteren wirtschaftlichen Folgen. Durch unsere zwei Stufen der Mietzinserlasse verzichten wir auf rund CHF 4 Mio. Einnahmen. Weiter haben wir rund CHF 6 Mio. Umsatzmieten budgetiert. Diese dürften 2020 wohl komplett wegfallen. Aufgrund der weiteren Unwägbarkeiten sind wir vorsichtig und rechnen bis Ende Jahr mit der Verdoppelung dieses Negativeinflusses von insgesamt CHF 10 Mio. Wir gehen davon aus, dass wir 2020 rund CHF 20 Mio. an Ertrag aus Vermietung einbüssen werden.

Wie sieht es in Zukunft aus?
Für das kommende Jahr sind wir zuversichtlich, dass wir wieder in ruhigere Gewässer einfahren. Nichtsdestotrotz bleibt eine gewisse Unsicherheit, die mit der allgemeinen Wirtschaftslage zusammenhängt. Wir wissen noch nicht, ob es bei uns und in Europa zu einer schweren Rezession kommt. Die Auswirkungen auf viele Unternehmen sind noch nicht richtig sichtbar. Im schlimmsten Fall könnte es zu vielen Konkursen und einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen. Das sind alles noch offene Punkte, die eine Prognose schwierig bis unmöglich machen.

Denken Sie, dass die Krise zu einer Anpassung Ihrer Mieterstruktur führen wird?
Bereits seit 2015 verfolgen wir das strategische Ziel, den Anteil an Retailflächen, insbesondere in B- und C-Lagen sowie im Bereich «Non-Food», in unserem Portfolio zu reduzieren. Von 34% konnten wir ihn aktuell auf 26% senken. Ich denke, dass wir den Anteil in den nächsten Jahren auf rund 20% reduzieren können. Damit berücksichtigen wir, dass man mit (den richtigen) Retailflächen auch in der heutigen Zeit nach wie vor gutes Geld verdienen kann.

Wie wollen Sie das konkret erreichen?
Dies wird über verschiedene Wege erfolgen. Einerseits sind die aktuellen Projekte im Bau wie auch jene in Planung praktisch ohne Retailflächen. Die anderen Nutzungen wachsen also. Andererseits werden wir auch weiter daran arbeiten, Flächen, wie zum Beispiel diejenigen der ehemaligen OVS-Filialen oder den Stücki Park, in neue Nutzungen umzuwandeln, wodurch der Anteil Retail ebenfalls sinken wird. Nicht zuletzt werden wir sicherlich auch die eine oder andere Immobilie, die strategisch nicht mehr in unser Portfolio passt, veräussern.

Braucht es auch künftig den stationären Handel?
Auf jeden Fall. Natürlich haben sich viele Menschen daran gewöhnt, online zu bestellen. Doch nichts ersetzt einen gut frequentierten Standort, wo Menschen ein Produkt mit allen Sinnen erfahren können und Erlebnisse kreiert werden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Onlinehandels?
Dieser wird eindeutig zunehmen und weitere Bereiche in Beschlag nehmen. Gleichzeitig denke ich, dass Retailer sich auch vermehrt auf eine Omni-Channel-Strategie ausrichten werden. Das bedeutet, dass sie sich digital stark aufstellen, aber gleichzeitig auch spannende und hochfrequentierte stationäre Standorte betreiben wollen.

Profitiert Swiss Prime Site in irgendeiner Weise vom Onlinehandel?
Das ist eine Frage, die wir bei Swiss Prime Site derzeit intensiv diskutieren. Gerade während der Coronakrise hat er besonders an Bedeutung gewonnen. Innovative Unternehmer, die bisher nur stationär tätig waren, haben aufgrund des Lockdowns damit begonnen, ihre vor Ort hergestellten Produkte auch digital anzubieten. Hier stellt sich die Frage, ob man nicht auch die digital erwirtschafteten Umsätze in die Umsatzmieten oder die Basismieten allgemein einbeziehen sollte.

Wie werden sich die Umsatzmieten entwickeln, wenn immer mehr Umsätze in den Onlinekanal abwandern?
Wenn Retailflächen, wie wir sie heute kennen, aufgehoben werden, der Einkauf online stattfindet und Retailer ihre stationären Shops mehr und mehr als Showrooms und Abholstationen definieren, muss man darüber nachdenken, wie man die Mietverträge ausgestaltet.

Stichwort Retail: Was tun Sie konkret mit Jelmoli?
Jelmoli hatte aufgrund der Coronakrise eine schwierige Zeit. Trotzdem schlägt sich die Gruppengesellschaft nun gut und liegt bei den Zahlen für die letzten beiden Monate «like-for-like» über unseren Erwartungen.

Können Sie sich auch vorstellen, die Liegenschaftsstruktur von Jelmoli zu ändern?
Das tun wir schon seit längerem und werden dies auch in Zukunft weiter tun. Denken Sie nur an die mittlerweile zwölf Restaurants, die Beauty-Klinik, das Fitnessstudio und weitere Dienstleister, die darin nun einen Platz gefunden haben. Wir analysieren stetig die Flächen und optimieren diese dort, wo es nachhaltig Sinn ergibt. Jelmoli ist ein Teil der Stadt und verträgt daher auch innerhalb der eigenen Gebäudestruktur unterschiedliche Nutzungsformen.

Denken Sie, dass mit der Coronakrise auch die Mietzinsen und damit die Marktwerte Ihrer Immobilien unter Druck geraten werden?
Bezüglich des generellen Mietzinsniveaus sehen wir aktuell keine Evidenz für eine Negativentwicklung. Wir konnten während und nun auch nach dem Lockdown Mietverträge zu gleichbleibenden oder sogar besseren Konditionen abschliessen. Allenfalls sehen wir diese Gefahr an B- und C-Lagen. Unser Portfolio ist jedoch beinahe komplett auf A-Lagen fokussiert. Sollte es zu einer tiefgreifenden und längerfristigen Rezession kommen, müsste man die Aussage nochmals überprüfen.

Homeoffice ist der grosse Gewinner der Krise. Wie sehen Sie das?
Homeoffice hat sicherlich profitiert und viele Unternehmen haben erkannt, dass dieses Arbeitsmodell als Ergänzung durchaus in Frage kommt. Dank der Digitalisierung können wir heutzutage sorglos von zu Hause arbeiten. Doch einen stationären Arbeitsplatz ersetzt das Modell trotzdem nicht. Denken Sie nur an die Unternehmenskultur, die man über die Distanz nur schlecht vermitteln kann. Der Austausch ist trotz Digitalisierung vielfach mühsam und aufwendiger. Die Kommunikation ist anders, als wenn man von Angesicht zu Angesicht zueinander spricht.

Wie wird Homeoffice den künftigen Büroflächenbedarf verändern?
Bereits heute wollen Unternehmen nicht für 100% der Belegschaft Arbeitsplätze haben. Meistens werden Flächen für 70% der Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt. Dieser Prozentsatz wird vermutlich nach der Coronakrise sinken. Trotzdem sind wir zuversichtlich.

Das überrascht. Denn damit dürfte es wohl zu einem Büroflächenüberhang kommen.
Das denken wir nicht. Denn wenn uns Corona etwas gelernt hat, ist es, dass eine gewisse Distanz zueinander durchaus «gesund» ist. Wir denken, dass Mieter in Zukunft zwar den Anteil ihrer Mitarbeitenden für Homeoffice wohl höher einrechnen werden. Gleichzeitig wird aber auch der Platzbedarf in den Büros steigen, da man nicht mehr so eng beieinandersitzen wird. Somit dürften sich die beiden Effekte neutralisieren. Man sieht dies bereits darin, dass Mieter grösseren Bedarf an Flächen bei uns anmelden.

Wie sehen Sie die allgemeine wirtschaftliche Situation der Schweiz für 2021 und darüber hinaus?
Das ist schwierig zu sagen. Der Einbruch der Wirtschaft ist bisher gemäss SECO nicht ganz so stark, wie ursprünglich vermutet. Andererseits werden wir wohl erst im zweiten Halbjahr 2020 und im 2021 sehen, was die Coronakrise noch für Nachwehen für uns bereithält. Ich denke aber, dass wir uns gut schlagen werden. Die Schweiz galt und gilt in ausserordentlichen Zeiten als ein sicherer Hafen. Auch wie wir die Coronakrise bisher gemeistert haben, zeichnet unser Land aus. Die Attraktivität unseres Wirtschaftsraums dürfte weiterhin sehr hoch sein.

«Dank der Digitalisierung können wir heutzutage sorglos von zu Hause arbeiten. Doch einen stationären Arbeitsplatz ersetzt das Modell trotzdem nicht.»

Im Markt rumpelt es und viele Unternehmen brauchen Cash. Gibt es bereits interessante Deals?
Wir erwarten, dass im zweiten Halbjahr 2020 die ersten interessanten Objekte auf den Markt kommen.

Wie entwickeln sich Ihre Projekte im Bau?
Soweit gut. Es gab bei zwei Projekten leichte Verzögerungen, weil Schutzkonzepte auf den Baustellen gewährleistet werden mussten. Da wir aber dort gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan einen Bauvorsprung hatten, sind wir nun «on time».

Werden Sie die Projekte in Entwicklung zurückstellen und allenfalls langsamer wachsen?
Nicht unbedingt. Bei unseren Projekten haben wir den Grundsatz einer Vorvermietungsquote von 50%. Wenn diese erreicht ist, geben wir das «Go» für die Umsetzung. Zudem sehen wir gutes Potenzial bei Asset Management Mandaten für Drittkunden, um zu wachsen.

Mit der Coronakrise ist der Umweltschutz in den Hintergrund gerückt. Wo stehen Sie bei den CO2-Zielen?
Der Umwelt geht es wegen der Coronakrise nicht wirklich besser. Insofern sollte der Umweltschutz nach wie vor das zentrale Thema von uns allen sein. Wir haben einen ambitionierten Absenkpfad, welcher mit den Umwelt- und CO2-Zielen des Bundes mindestens korrespondiert, teilweise aber sogar noch weiter geht. Bis 2050 wollen wir rund CHF 650 Mio. in unser Portfolio investieren, um die Ziele zu erfüllen.

Sie haben Tertianum verkauft und weisen damit 2020 einen hohen Gewinn aus. Wie sieht es mit 2021 und darüber hinaus aus?
Wir werden über die nächsten Jahre den weggefallenen Ertrag von Tertianum durch unser Wachstum aus den Projekten und Asset Management Mandaten kompensieren können.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Sie zuversichtlich in die Zukunft schauen?
Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen. Das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. Ich ziehe das zweite vor und bin daher zuversichtlich.

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