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Die Immobilienindustrie im Metaversum: Ein Wagnis mit konkreten Chancen

Tech-Konzerne treiben mit Investitionen in Milliardenhöhe den Aufbau der nächsten Generation virtueller Welten voran. Im Zuge dessen könnten Immobilienunternehmen ihre gegenwärtigen Geschäftsmodelle gezielt erweitern. Aber nicht alles was möglich ist, scheint erfolgsversprechend.

Vor einem Jahr haben zwei Ankündigungen Mark Zuckerbergs die Erwartungen für das Web3, die nächste Iteration des Internets, hoch angesetzt. Einerseits benannte er den Facebook-Konzern in Meta um. Andererseits tätigte er Investitionen in Milliardenhöhe in die Weiterentwicklung virtueller Plattformen. Unternehmen zahlreicher Branchen sehen sich seitdem gefordert, Geschäftsmodelle aus dem physischen Raum in das virtuelle Metaversum zu erweitern und sich so als weitsichtige Organisationen zu positionieren. So investierten Immobilienentwickler und branchenfremde Akteure Millionenbeträge in «Parzellen» in Form von Pixeln auf Plattformen wie «Decentraland» oder «The Sandbox». Im Einzelhandel eröffneten Marken wie Nike virtuelle Flagship Stores und verkaufen mittlerweile digitale Produktkollektionen. Gleichzeitig stiessen die Bemühungen, zu den First Movers im Metaversum zu gehören, bei vielen auf Unverständnis. So hat Meta seit der Umbenennung des Konzerns rund 500 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung verloren. Es lässt sich festhalten, dass das Thema so stark polarisiert wie kaum ein anderes. Für eine schlüssige Einschätzung, welche Rolle das Metaversum für die Immobilienwirtschaft darstellt, müssen drei Fragestellungen genauer untersucht werden.

Das Thema polarisiert so stark wie kaum ein anderes.

Bastian Zarske Bueno, Head Group Corporate Ventures & Innovation

Erstens: Werden sich Menschen künftig vermehrt im virtuellen Raum aufhalten? Oft geht vergessen, dass bereits heute Gaming über alle Altersgruppen hinweg das wichtigste Unterhaltungsmedium ist. Über ein Drittel der Menschheit, also drei 3 Milliarden Individuen weltweit, spielen regelmässig Videospiele. Ein wachsender Anteil davon tut dies mit Virtual Reality (VR)-Headsets. Abgesehen vom Gaming gibt es noch wenig Evidenz für eine Massenbewegung in gänzlich virtualisierte Parallelwelten. Doch, stellt die heutige hybride Welt nicht bereits eine Vorstufe für eine solche Entwicklung dar?

Zweitens stellt sich die Frage, ob die Technologien, die dem Metaversum zugrunde liegen, bald für eine breite Masse verfügbar sein werden. Der Wettbewerb zwischen Technologiekonzernen wie Apple oder Meta beschleunigt zwar die Entwicklung notwendiger Hardware, was sich im sinkenden Preis von AR- und VR-Geräten widerspiegelt. Auch die Verkaufszahlen von den entsprechenden Headsets zeigen ein steiles Wachstum und die Forschung an Handschuhen, die es ermöglichen Empfindungen aus virtuellen Interaktionen haptisch wahrzunehmen, laufen auf Hochtouren. Ein Hindernis bleibt die Datenverarbeitungs- und Übertragungsinfrastruktur, die an vielen Orten nicht für die Aufbereitung grosser Datenmengen in Echtzeit ausreicht. Realistischerweise und angesichts der Geschwindigkeit, in welcher sich Technologie weiterentwickelt, scheint aber auch diese Tatsache kaum eine langfristige Hürde darzustellen. 

Drittens bedarf es einer differenzierten Sicht auf die Attraktivität von Geschäftsmodellen im Metaversum für Unternehmen. Trotz Risiken, wie dem hohen Stromverbrauch vieler VR- und AR-Anwendungen, bietet die Erschliessung virtueller Plattformen und die Erweiterung der physischen Realität ernstzunehmende Geschäftsopportunitäten. Dies gilt insbesondere für kommerzielle Immobilien. Im Kontext der fortschreitenden «Servitisierung» von Immobilien, könnte das Metaverse gar die am wenigsten «Kapital-intensive» Möglichkeit sein, um weitere Quadratmeter zu «entwickeln» und das Portfolio zu erweitern – nur eben virtuell. Die Investitionsrisiken werden sich dort auszahlen, wo ein neuer Mehrwert für Nutzer entsteht. Deshalb sollten sich Immobilienunternehmen nicht nur auf die Übertragung ihrer bestehenden Geschäftsmodelle auf virtuelle Plattformen konzentrieren, sondern versuchen, die bestehenden Geschäftsmodelle und Vermögenswerte sinnvoll zu ergänzen. Attraktiv erscheinen virtuelle Digital Twin basierte Services für Arealnutzer, Simulationen von Gebäudeentwicklungen und Nutzerverhalten für Planung und Vermarktung oder die Erweiterung physischer Verkaufsflächen um Social Commerce. Aber auch die Möglichkeit Meetings und Workshops künftig im Metaversum mittels Avatars kostengünstig (da ohne Raummieten) und emissionsarm (da ohne Anreiseweg) und dennoch immersiver als per 2D-Video Call abzuhalten, stellt gleichermassen eine Chance und ein Risiko für Eigentümer von kommerziellen Liegenschaften dar, wenn sich die Wertschöpfung entlang der Wertekette verschiebt.   

Dass ausschliesslich grosse Tech-Konzerne die Entwicklung von digitalen Infrastrukturen prägen, ist grundsätzlich keine wünschenswerte Entwicklung. Es besteht das Risiko, dass sich negative gesellschaftliche Folgen, die sich bereits aus der Ausbreitung der sozialen Medien ergeben haben, wiederholen und verschärfen. Um dies zu verhindern, könnten Immobilienentwickler mit gezielten Innovationsvorhaben zur Attraktivität und zum wirtschaftlichen Nutzen des «Lebensraums» Metaversum beitragen und davon profitieren. Bis das Metaverse aber die Spitze des Gartners Hype Cycle erreicht, dürfte auch hier gelten: Probieren geht über Studieren.

Diese Story erschien in der Verlagsbeilage zu den NZZ Real Estate Days 2022. 

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