Interview Peter Lehmann

Unser Fokus sind unsere Kunden

Für Peter Lehmann, CEO Swiss Prime Site Immobilien, ist ein starker Kundenfokus die Basis für die guten Resultate im Geschäftsjahr 2019. Die Fähigkeit, Bedürfnisse im Markt zu erkennen und in Projekten umzusetzen, bestimmt sein Handeln.

Peter Lehmann, Swiss Prime Site Immobilien konnten 2019 wiederum sehr gute Zahlen vorzeigen. Können Sie ausführen, wie die Resultate zustande kamen?

Peter Lehmann: Der Immobilienmarkt gewann 2019 weiter an Dynamik. Die allgemeinen Rahmenbedingungen stimmten. Darunter verstehe ich die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz, die Zinsen und auch die Nachfrage nach hochwertigen Büro- und Gewerbeflächen. Im Portfolio- und Asset Management konnten wir tolle Erfolge realisieren. Über das gesamte Geschäftsjahr 2019 konnten wir die Leerstandsquote auf 4.7% reduzieren. Daneben haben wir unsere Projekte wie geplant weiterentwickeln können. Die Vorvermietungen sind insgesamt auf einem hervorragenden Niveau.

Wie erreicht man bei Projekten, die teilweise nur auf dem Papier bestehen, eine hohe Vorvermietung?

Für mich stehen immer der Kunde und seine Bedürfnisse im Fokus. Wir können als Unternehmen nur erfolgreich sein, wenn wir unser Tun nach der Marktnachfrage ausrichten. Wir erleben gerade einen Generationenwechsel in vielen Unternehmen. Das Management wird verjüngt und hat andere Ansprüche an die Standorte und Flächen, welche sie ihren Mitarbeitenden bieten wollen. Hier setzen wir an, um unser Portfolio und unsere Projekte für die Zukunft attraktiv zu machen.

Können Sie hier konkrete Beispiele nennen?

Aktuell haben wir unter anderem in unserer Pipeline das YOND in Zürich, JED in Schlieren oder das West-Log in Altstetten, welche unseren Kundenfokus sehr gut verdeutlichen. Wir haben vor geraumer Zeit festgestellt, dass Logistikimmobilien in den kommenden Jahren stark nachgefragt werden. In der Folge konnten wir, aufgrund unseres guten Netzwerks, das Projekt West-Log noch vor dem Spatenstich kaufen. Danach haben wir es weiter optimiert und den Bau in Auftrag gegeben. In Schlieren andererseits verwirklichen wir ein Konzept für unsere beiden Ankermieter Zühlke und Halter. Die bestehenden Bauten der ehemaligen Grossdruckerei auf dem Areal werden grosszügig umgebaut, sodass ein Ökosystem für Wissenstransfer, Innovation und Unternehmertum entstehen kann. Davon profitieren unsere Ankermieter wie auch Start-ups, die dort Flächen beziehen werden. Zudem investieren wir auf dem gleichen Areal in einen emissionsfreien Neubau mit einmaligen Grossflächen, die es so in Zürich noch nicht gibt.

Und bei YOND?

Die Immobilie, welche Ende 2019 bereits von einigen Mietern bezogen wurde, ist für uns ein Erfolg auf der ganzen Linie. Begonnen haben wir damit, dass wir vor ein paar Jahren aufgrund von Marktrecherchen das Bedürfnis erkannten, dass gerade bei kleineren Unternehmen flexible und rohe Flächen vermehrt nachgefragt wurden. So haben wir das Konzept YOND, mit seinen überhohen Räumen und der Möglichkeit, Zwischenböden einzuziehen, auf die Beine gestellt. Beim Spatenstich dieses für die Schweiz absolut innovativen Konzepts waren Vertreter der Stadt Zürich und von Avenir Suisse zugegen und attestierten uns damit grosse Chancen auf dem Markt. Aktuell ist der Vermietungsstand bei über 80%. Mit beispielsweise Coople, Tadah, Vebego, JobCloud oder Better Taste haben wir genau den Mieterspiegel, den wir damals in der Konzeptphase ins Auge gefasst hatten.

Können Sie noch etwas zu den Mietvertragserneuerungen innerhalb des Portfolios sagen?

Hier haben wir mit unserem Gebäude an der Müllerstrasse in Zürich ein gutes Beispiel. Die Liegenschaft haben wir Ende 2018 mit zwei anderen Immobilien im Tausch für die rund 24% am Sihlcity erhalten. Den 2021 auslaufenden Mietvertrag mit dem aktuellen Mieter haben wir als Chance genutzt, um das Gebäude neu zu positionieren. Dies ist uns aufgrund unseres guten Netzwerks innerhalb von kürzester Zeit gelungen. Wir werden nach dem Auszug des jetzigen Kunden das Gebäude umfassend erneuern und für die individuellen Bedürfnisse des neuen Mieters aufbereiten. Aufgrund der nun optimieren Marktfähigkeit können wir das Mietzinsniveau signifikant anpassen und dadurch den Gebäudewert deutlich steigern.

Und wie sieht es in Genf, Ihrer anderen Fokusgegend, aus?

Das Grossprojekt Espace Tourbillon entwickelt sich wie geplant. Alle fünf Liegenschaften sind mittlerweile weit fortgeschritten. Bei den beiden Gebäuden, die an die Hans Wilsdorf Stiftung verkauft wurden, sind wir am Innenausbau dran. Die anderen drei Liegenschaften wie auch das unterirdische Logistikzentrum sind kurz vor der Fertigstellung des Rohbaus. Eine der drei Liegenschaften verkaufen wir aktuell erfolgreich im Stockwerkeigentum. Diese innovative Idee kommt gut im Markt an. Das Projekt Alto Pont-Rouge gedeiht ebenfalls. Die Vorbereitungsarbeiten für den Baustart sind beinahe abgeschlossen. Das Quartier wird mit dem neuen Bahnhof in den kommenden Jahren einen grossen Aufschwung erleben. Die Flächen werden entsprechend von den Unternehmen, welche aus der Innenstadt wegziehen, gebraucht.

Ihre Pipeline ist nach wie vor prall gefüllt. Welche Projekte machen Ihnen sonst gerade sehr viel Freude?

Zu erwähnen ist die Schönburg in Bern. Dort sind beinahe alle Wohnungen vermietet und das Fitnesscenter sowie die Retailflächen eröffnet. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Frühling 2020 die Eröffnung des Hotels feiern können. Die Transformation des Stücki Park in Basel ist auf gutem Wege. Wir konnten 2019 das Stücki Village eröffnen und den Spatenstich für die ersten beiden Anbauten machen. Langsam beginnt das Areal zusammenzuwachsen und zu einem echten Zentrum für Basel-Nord zu werden.

«Wir erleben gerade einen Generationenwechsel in vielen Unternehmen. Das Management wird verjüngt und hat andere Ansprüche an die Standorte und Flächen, welche sie ihren Mitarbeitern bieten wollen.»

Kommen wir zu den Logistikimmobilien zurück. Können Sie hier etwas konkreter werden?

Mit der Zunahme des Onlinehandels gewinnt die Feinverteilung von Gütern auf städtischem Gebiet deutlich an Bedeutung. Jeder von uns möchte so rasch wie möglich die online bestellten Produkte nach Hause geliefert bekommen. Dies geht mit der allgemeinen Zunahme des Verkehrs jedoch nur, wenn die Logistikprozesse optimiert werden können. Hierbei spielt die «letzte Meile», die ein Paket zurücklegt, eine sehr wichtige Rolle. Für die Stadtauslieferung müssen Güter anders portioniert werden, um effizient und schnell beim Besteller im Briefkasten zu landen. Verkehrstechnisch gut gelegene Immobilien an der Stadtgrenze erweisen sich perfekt für diese Art von Logistik. Mit West-Log und Espace Tourbillon verfügen wir bereits über zwei solcher Liegenschaften.

Sie gehen also davon aus, dass der Bedarf an Immobilien dieser Art zunehmen wird?

Ganz eindeutig. Innerhalb unseres Portfolios haben wir beispielsweise mit dem Iseli-Areal in Regensdorf eine Landparzelle mit derzeit bestehender Infrastruktur, welche sich später ebenfalls für ein entsprechendes Projekt eignen würde.

Entfernen Sie sich dabei nicht von Ihrem Versprechen, sich auf «Prime»-Lagen zu fokussieren?

Nein. Aus dem Blickwinkel des Markts für Logistikimmobilien sind die von uns gewählten Standorte absolut «prime». Ein Logistikprojekt auf dem Land hingegen würde dieses Kriterium nicht erfüllen.

Schlieren, Zürich, Genf, Bern und Basel: Wie behält man die Bedürfnisse so viel verschiedener Kunden in so unterschiedlichen Regionen der Schweiz im Überblick?

Wir haben dafür diverse Strategien, um den Markt beziehungsweise die Kunden optimal im Fokus zu behalten. Einerseits verfügen wir mit unserem Büro in Genf über ein Standbein in der Romandie. Mit unseren Spezialisten vor Ort erkennen wir wichtige Impulse, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Daneben haben wir sehr gute persönliche Kontakte, die wir pflegen und die uns helfen, immer markt- und kundengerecht zu investieren.

Nachhaltigkeit gewinnt global, regional wie auch bei Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Wie nehmen Sie sich diesem Thema an?

Indem wir uns nachhaltige Ziele setzen und diese erreichen. Ganz konkret haben wir uns zu einen CO2-Absenkpfad verpflichtet. Mittels verschiedener Massnahmen wollen und müssen wir dieses langfristige Ziel erreichen. Doch es genügt nicht nur zu versuchen, in emissionsfreie Immobilien bis 2050 zu investieren. Beim langen Lebenszyklus von Liegenschaften müssen wir dies bereits heute und morgen tun. Einerseits reichern wir unser Bestandsportfolio mit verschiedenen Initiativen an, um dem Ziel näher zu kommen. So suchen wir beispielsweise derzeit nach Möglichkeiten, auf unseren Gebäuden möglichst viele Photovoltaik-Anlagen aufzustellen. Andererseits investieren wir in nachhaltige Bauformen. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Neubau im JED in Schlieren. Ein Gebäude ohne Heizung, Kühlung und Lüftung.

Der JED Neubau ist bezüglich Emissionen eines Ihrer Vorzeigeprojekte. Können Sie das Konzept noch etwas detailliert erklären?

In Zeiten von Klimaerwärmung müssen wir bei Neubauten umdenken. Hier hilft uns der Blick in die Vergangenheit. Bereits unsere Vorfahren wussten, dass man mit dicken Mauern quasi die Witterungsbedingungen aussen vor lässt. Haben wir also genügend Mauerdicke und geringere Fensterflächen, können wir das Innenklima beinahe unabhängig von der Aussentemperatur gestalten. Wir haben uns genau dies zunutze gemacht und beim JED Neubau die Mauern mit rund 80 Zentimetern geplant. Die Fenster sind einerseits so dimensioniert, dass sie genügend Licht ins Gebäudeinnere leiten. Gleichzeitig sind sie so weit nach innen versetzt, dass die direkte Sonneneinstrahlung sehr kurzgehalten wird und damit kein Aufheizungseffekt entstehen kann. Im Gebäude herrscht eine optimale Temperatur zwischen 22 und 26 Grad. Die Luftfeuchtigkeit wird über Sensoren und automatisiertes Fensteröffnen/-schliessen erreicht. Wo man vormals 50 bis 80 m2 für die Gebäudetechnik gebraucht hatte, genügt heute ein kleines Reduit mit weniger als 10 m2.

Was ist sonst noch speziell beim JED Neubau?

Wir haben festgestellt, dass es in Zürich kaum zusammenhängende Grossflächen zu mieten gibt. Dies aber gleichzeitig ein Bedürfnis unserer Kunden darstellt. So haben wir uns dazu entschieden, beim JED Neubau das maximal mögliche Stützenraster auf den Stockwerken zu implementieren. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass unsere Kunden Einbussen in Sachen Flexibilität hinnehmen müssten. Innerhalb des Stützenrasters können viele Flächen speziell bespielt oder bei Bedarf abgetrennt werden. Nichts muss, aber alles geht – das wollen die Kunden von heute.

Ist dies die Bauweise der Zukunft?

Wir denken, dass wir diese Art zu bauen in der Zukunft vermehrt sehen werden. Es führt kein Weg daran vorbei, unsere bestehenden Gebäude effizienter umzubauen und neue Immobilien komplett emissionsfrei zu planen.

«Co-Working kann auf verschiedene Weise funktionieren. Klassisch sind sehr zentral gelegene Standorte, mit guter verkehrstechnischer ­Anbindung und hoher Frequenz, die Erfolg ­haben.»

Ein anderer Trend im Immobilienmarkt ist Co-Working. Ist dies tatsächlich ein grosses Bedürfnis im Markt?

Der Trend hin zu Co-Working und Serviced Office hat verschiedene Treiber. Einerseits sind es gewichtige Start-ups, die dafür sorgen, dass das Thema medial breit diskutiert wird. Andererseits sehen wir tatsächlich auf dem Markt einen gewissen Bedarf für die Nutzungsart. Auf einem Areal mit Vollvermietung gibt es Mieter, die sich ein «Überlaufbecken» für saisonalen oder projektbezogenen höheren Flächenbedarf wünschen. Dort könnten dann zusätzliche Mitarbeitende einen flexiblen Arbeitsplatz beziehen, wären aber gleichzeitig in der Nähe ihrer Kollegen. Zudem interessieren sich global agierende Unternehmen zunehmend für «Single-Office-Provider»-Strategien. Dabei haben sie einen einzigen Vertrag mit einem global agierenden Anbieter. Die Mitarbeiter können dann in allen Städten, wo der Anbieter tätig ist, die Büroräumlichkeiten nutzen. Es sind spannende Entwicklungen.

Wo funktioniert das Konzept in Ihren Augen und wo nicht?

Co-Working kann auf verschiedene Weise funktionieren. Klassisch sind sehr zentral gelegene Standorte, mit guter verkehrstechnischer Anbindung und hoher Frequenz, die Erfolg haben. Doch auch ausserhalb der Zentren können Konzepte vielversprechend sein. Irgendwann werden wir nicht alle in die Stadt zur Arbeit pendeln können oder wollen. Flexible Arbeitsplätze ausserhalb der Innenstädte und an Standorten, die man zu Fuss von zu Hause aus erreichen kann, kommen hier in Frage. Hierzu gibt es bereits Beispiele rund um Zürich.

Könnten Sie sich vorstellen, auch im Prime Tower Co-­Working anzubieten?

Erfolgreiches Co-Working hat viel mit Frequenz und Sichtbarkeit der Flächen zu tun. Im Prime Tower Flächen für flexibles Arbeiten anzubieten, könnte allenfalls erfolgreich sein, wenn wir ein Modell implementieren würden, bei dem bestehende Mieter des Turms das Angebot im Sinne des erwähnten «Überlaufbeckens» nutzen könnten. Auch aus dem Blickwinkel der Sicherheit wäre ein komplett offenes Co-Working nicht einfach zu lösen. Aber ganz ausschliessen wollen wir es nicht. Denn die Lage an der Hardbrücke ist geradezu perfekt für ein solches Angebot.

Verkaufsflächen sind aufgrund des Onlinehandels unter Druck. Wie sehen Sie diesbezüglich die Entwicklung in der Zukunft?

Gute Flächen an zentralen Lagen werden immer nachgefragt werden. Dies sehen wir stets, wenn es darum geht, Mietverträge zu erneuern. Wir sind zudem überzeugt, dass es den stationären Handel auch in Zukunft braucht. Ob dieser morgen noch so ausgeprägt sein wird wie heute, wird sich noch zeigen. Die Zusammenarbeit mit den Pallas Kliniken im Jelmoli verdeutlicht, dass man Retailflächen anreichern oder transformieren und damit erfolgreich machen kann.

Wie ist Ihr Ausblick auf das kommende Jahr und darüber hinaus?

Ich bin zuversichtlich, dass sich der Immobilienmarkt auch 2020 positiv entwickeln wird. Die allgemein gute wirtschaftliche Lage, die politische Stabilität und der hohe Grad an Technologie sowie Digitalisierung in der Schweiz werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass wir ein optimaler Standort für heimische und globale Unternehmen sind.